Ich liebe es
in die Tasten
reinzuhauen
und Texte
rauszuhauen ...
Innerer Schweinehund trifft herabschauenden Hund
oder: Was Schreiben und Yoga verbindet
Manchmal fühlt sich Schreiben an wie der berühmtberüchtigte Lotussitz: irgendwie verkrampft, unnatürlich und ein bisschen verdreht. Und manchmal liegst du auf der Yogamatte, die Stirn am Boden, der innere Schweinehund neben dir sitzend, und denkst: „Bleib einfach hier. Niemand wird merken, wenn du nichts tust.“ Doch genau wie beim Yoga braucht es auch beim Schreiben den ersten Schritt. Ob der erste Buchstabe oder der erste Atemzug – beides beginnt mit deinem Tun.
Yoga und Schreiben haben auf den ersten Blick vielleicht nicht viel gemeinsam (außer, dass ich beides gerne tu). Doch bei näherem Hinsehen teilen sie dieselbe Dynamik: es beginnt oft mit einem Zögern, verläuft in einem Flow und endet im Savasana – oder, im Fall des Schreibens, in einem lebendigen Text.
Auf der Suche nach Balance
Stell dir vor, du bist ein Baum, stehst im Vrksasana, auf einem Bein balancierend, die Arme ambitioniert gen Himmel gestreckt. Plötzlich schweifen die Gedanken ab: „Habe ich den Ofen ausgeschaltet? Ist mein Text überzeugend? Wie war das nochmal mit der Atmung?“ Balance – das wird schnell klar – ist keine Konstante, sondern ein Prozess. Eine Illusion vielleicht – aber eine, die uns trägt.
Ob im Yoga, im Leben oder beim Schreiben – es geht nicht darum, perfekt auszubalancieren, sondern immer wieder ins Gleichgewicht zurückzufinden. Auf einem Bein lernst du, das Wackeln zu akzeptieren. Beim Schreiben zeigt dir ein schiefer Satz, dass auch das Unperfekte einen eigenen Rhythmus haben kann. Wie eine komplizierte Asana darf auch das Schreiben wackeln. Es muss wackeln. Nur so ist’s lebendig.
Die Cobra im Buchstabenwald
Und dann gibt es diese Momente, in denen alles fließt. Im Yoga spricht man von Vinyasa, der fließenden Abfolge von Bewegungen. Beim Schreiben nennt man es „Flow“: Plötzlich sprudeln die Worte, die Gedanken ordnen sich wie von selbst, und ehe du dich versiehst, bist du mittendrin – als wärst du nie weg gewesen.
Die Cobra ist ein schönes Sinnbild dafür. Geschmeidig schlängelt sie sich durch den Dschungel, mühelos und frei. Sie zwingt sich nicht in unnatürliche Richtungen, sondern findet ihren Weg. Genauso fühlt sich Schreiben an, wenn man den Widerstand überwunden hat. Was der herabschauende Hund für das Yoga ist, ist der innere Flow fürs Schreiben: das Herzstück, die Pause, die Kraft. Der erste Satz mag sich anfühlen wie ein Sprung ins kalte Wasser, doch irgendwann bringt er dich in diesen Zustand der Erdung. Jeder Buchstabe stabilisiert dich ein Stück mehr, jeder Gedanke trägt dich weiter. Und der innere Schweinehund? – Hat gegen den herabschauenden Hund sowieso keine Chance.
(Hüft-)beuger, Schulterbrücken und Wortgymnastik
Sprechen wir auch über Beugungen – ob es die Hüftbeuger im Yoga sind oder die Verben. Konjugationen sind die wörtliche Gymnastik des Schreibens. Es gibt Wörter, die fließen wie ein Sonnengruß: tanzen, lachen, träumen ... Und es gibt die steifen, komplizierten, die sich weigern, in den Satz zu passen. Ich konjugiere, du verzweifelst, er/sie/es verdreht die Augen.
Nicht alle Bewegungen gehen leicht von der Hand. Manche brauchen Feingefühl, manche ein bisschen Humor. Und manchmal hilft es, sich an die Schulterbrücke zu erinnern: „Beug‘ dich, aber verbieg‘ dich nicht.“
Und am Ende: Die große Verbindung
Yoga und Schreiben haben eines gemeinsam: Sie verbinden. Mich mit mir selbst, dich mit der Welt. Der perfekte Satz ist wie die perfekte Asana – keine Selbstverständlichkeit, aber erfüllend. Und wie bei jeder Yoga-Praxis ist es auch beim Schreiben der Weg, der zählt.
Also schreibe ich weiter. Atme tiefer. Bin der Baum, die Cobra, der herabschauende Hund – und ab und zu auch einfach nur die, die still dasitzt, den Stift in der Hand und das Herz auf der Matte.
Namastè
& bis bald auf dem Papier oder der Yogamatte